Die Jagdwilderei wird im Strafgesetzbuch im § 292 geregelt. Dieser Paragraph schützt das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten. Dort steht: „Wer unter Verletzung fremden Jagdrechts oder Jagdausübungsrechts dem Wild nachstellt, es fängt, erlegt oder sich oder einem Dritten zueignet oder eine Sache, die dem Jagdrecht unterliegt, sich oder einem Dritten zueignet, beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
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Immer wieder werden vor allem in der Jägerschaft Bedenken geäußert, dass die Wildtierrettung ja als Wilderei gewertet werden kann. Tatsächlich ist die Wildrettung für Nicht-Juristen eine nicht ganz einfach zu durchschauende Handlung. In vielen Fällen erfüllt die Wildrettung den Tatbestand des Fangens. Immer dann, wenn Rehkitze eingesperrt werden, um sie vor dem Mähtod zu bewahren liegt der Tatbestand des Fangens vor, was durchaus den objektiven Tatbestand der Wilderei erfüllt. Das Fangen alleine ist aber noch nicht strafbar.
Der Tatbestand im Strafrecht
Anders als im Zivilrecht findet im Strafrecht für den Tatbestand eine Differenzierung statt. Der Tatbestand wird hier in einen objektiven und einen subjektiven Teil gegliedert. Der objektive Teil ist also die von außen erkennbare Tat. Der subjektive Teil bestimmt die inneren Gegebenheiten. Diese Merkmale existieren nur in der Person des Täters (etwa der Vorsatz). Selbst wenn nun der objektive Tatbestand der Wilderei erfüllt wäre, so ist für eine Straftat immer auch ein erfüllter subjektiver Tatbestand nötig. Ein Merkmal des subjektiven Tatbestands ist mindestens der Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestands. Da die Wildrettung betrieben wird, um das Wildtier vor dem Tod zu bewahren und nicht um es sich anzueignen, ist die Argumentation, die Wildrettung erfülle auch den subjektiven Tatbestand der Wilderei (hier ist der Vorsatz zur Aneignung gemeint), für den Kläger relativ schwierig.
Wilderei erfordert mindestens bedingten Vorsatz
Um den Tatbestand der Jagdwilderei zu erfüllen, ist mindestens ein bedingter Vorsatz nötig. Der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ist ein nicht einheitlich definierter Begriff, der unterschiedlichen Auffassungen unterliegt. Der Taterfolg (also die Aneignung von Wild) wird hierbei entweder billigend in Kauf genommen, für rein möglich oder für wahrscheinlich erachtet oder gleichgültig hingenommen (es gibt noch einige weitere Auffassungstheorien hierzu). Dieser bedingte Vorsatz ist mindestens gefordert, um den Straftatbestand überhaupt zu rechtfertigen.
rechtfertigende Pflichtenkollision
Der Landwirt, der seine Wiese mähen möchte, unterliegt einer sog. „Pflichtenkollision“. Einerseits darf er aufgrund des Tierschutzgesetzes Wildtiere nicht ohne vernünftigen Grund töten oder verletzten und muss daher Maßnahmen ergreifen, um dies zu verhindern. Andererseits darf er Wildtieren nicht nachstellen oder sie fangen, da er sonst Jagdwilderei betreibt. Der Jäger steht nach § 1 BJagdG in der Hegepflicht, deshalb handelt der Landwirt im Interesse des Jägers, wenn er Kitzrettung betreibt. Durch die rechtfertigende Pflichtenkollision handelt der Wild rettende Landwirt nicht rechtswidrig, selbst wenn der Jagdpächter der Kitzrettung nicht zustimmt.
rechtfertigender Notstand
Neben der rechtfertigenden Pflichtenkollision kann auch mit dem rechtfertigendem Notstand argumentiert werden. § 34 StGB definiert den rechtfertigenden Notstand: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig.“ Allerdings muss das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegen. Durch den rechtfertigenden Notstand wird der Tat die Rechtswidrigkeit entzogen, was dazu führt, dass sie nicht mehr bestraft werden darf. Ob allerdings die Wildrettung als rechtfertigender Notstand gewertet wird, ist nicht immer sicher.
Der Staatsanwalt entscheidet
Rein formal verlangt die Jagdwilderei einen Strafantrag, den nur der Geschädigte, also der Jagdpächter, stellen kann. Strafverfahren durchlaufen immer ein Ermittlungsverfahren, in dem der Anfangsverdacht auf eine mögliche Straftat untersucht wird. Nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob eine Klage erhoben wird oder das Verfahren eingestellt wird. Da der §292 das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten schützt, steht für eine Anklage also die Aneignung stets im Vordergrund. Wenn für den Staatsanwalt die Absicht des Wildrettens allerdings klar erkennbar ist, und damit der Vorsatz der Aneignung ausgeschlossen werden kann, ist davon auszugehen, dass das Verfahren eingestellt wird und es kommt gar nicht erst zu einer gerichtlichen Anhörung kommt.
Wenn immer möglich, den Jagdausübungsberechtigten einbeziehen
Der Beste Weg ist allerdings immer, den Jagdausübungsberechtigten mit einzubeziehen. Erstens kennt er sein Revier normalerweise am Besten und kann dadurch eine hilfreiche Unterstützung darstellen. Und zweitens kommt es erst gar nicht zu einem Wilderei-Konflikt, wenn er selbst dabei ist.
Es sollte also auf jeden Fall immer versucht werden den Jagdausübungsberechtigten zu informieren, sollte dies aber nicht gelingen, ist aus oben genannten Gründen davon auszugehen, dass juristisch die Wildtierrettung als das höhere Gut bewertet wird, als die kollidierenden Ansprüche des Jagdausübungsberechtigten.
Einen sehr guten Artikel über dieses Thema hat der DJZ-Jurist Dr. Heiko Granzin in der Deutschen Jagdzeitung Ausgabe 4/2023 auf den Seiten 8-10 geschrieben. Der Titel lautet: Wer hat nun den „schwarzen Peter“? Unter „Pflichtenkollision“ beschreibt er, dass selbst wenn der Jagdpächter die Zustimmung zur Kitzrettung verweigert, der Landwirt trotzdem juristisch dazu verpflichtet ist, Kitzrettung vor der Mahd zu betreiben.